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XLVI ZUR VOLKSKUNDE. Kastenwesen.Hindu hat kein Vaterland, sondern nur eine Kaste. Die meisten
Hindus stehen allen Volksgenossen außerhalb der Kaste mit fast
völliger Gleichgiltigkeit gegenüber und fragen auch nicht viel da-
nach
, von wem sie beherrscht werden, wenn sie nur ihre herge-
brachten
religiösen und bürgerlichen Gebräuche ungestört ausüben
dürfen und nicht zu viele Steuern bezahlen müssen. Die Kasten-
ordnung
ist deshalb hauptsächlich schuld daran, daß Indien von
jeher fremden Eroberern eine leichte Beute geworden ist; sie ist
auch heute noch die stärkste Stütze der englischen Herrschaft.

Merkwürdigerweise zerfallen auch die Brahmanen, die schon
längst nicht mehr ausschließlich Priester und Gelehrte sind, sondern
zum Teil als Ackerbauer, Soldaten, Hirten, Köche usw. ihren Lebens-
unterhalt
verdienen, in nicht weniger als zehn verschiedene Kasten
mit 1886 Unterabteilungen; und es ist genau festgestellt, zwischen
welchen Gruppen Tischgemeinschaft und Konnubium stattfinden
darf und zwischen welchen nicht. Selbst die indischen Mohamme-
daner
haben einige Kastenregeln und Vorurteile angenommen, die
wie ein ansteckendes Gift sich dort in der Luft zu verbreiten scheinen.
Auch auf Ceylon bestehen Kasten nicht nur bei den dem Brahmanis-
mus
anhängenden Tamulen in der nördlichen Hälfte der Insel,
sondern auch im Süden bei den Singhalesen, obwohl der Buddhis-
mus
, zu dem diese sich meist bekennen, die Kasteneinteilung verwirft.

In den großen Verkehrszentren Indiens, in denen der Einfluß
Europas sich geltend macht,.[,] kann sich allerdings die Kastenord-
nung
in der alten Schroffheit nicht mehr halten; da fällt eine der
künstlich aufgerichteten Schranken nach der andern. Das englische
Recht und Gesetz kennt natürlich kein Privileg der Brahmanen oder
einer anderen höheren Kaste. Die modernen Verkehrsmittel, Eisen-
und Straßenbahn, die von der eingeborenen Bevölkerung sehr stark
benutzt werden, machen die körperliche Berührung von Leuten, die
ihr früher ängstlich aus dem Wege gingen, unvermeidlich. Auch
tragen die modernen philanthropischen Reformbestrebungen, wenn
auch nicht gerade mit großem Erfolge, zur Beseitigung der Kasten-
vorurteile
bei. Ganz anders aber steht es im inneren Lande, z. B.
in einer Hochburg des Hinduismus wie Benares, und namentlich in
den Dörfern, die abseits von den großen Verkehrswegen liegen.
Dort herrscht das Gesetz der Kaste in ungeschwächter Kraft, und
Ausstoßung aus der Kaste ist für den Hindu immer noch ein drohen-
des
Schreckgespenst, das ihn sein ganzes Leben hindurch in Angst
hält. Diese Strafe wird von einem Ausschuß verhängt, der den ört-
lichen
Kastenvorstand bildet; hauptsächlich aus folgenden Grün-
den
: wegen des Aufgebens der Religion oder des Unterlassens der
vorgeschriebenen Gebräuche, wegen des Genusses verbotener Nah-
rung
oder solcher Speisen, die von Mitgliedern einer niedrigeren
Kaste zubereitet sind, wegen einer Reise in fremde Länder, die
eine Verletzung der Speisegesetze mit sich bringt, wegen Unkeusch-